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"Oben in den Wäldern", das ist in erster Linie die Hommage an einen nicht näher bezeichneten Ort irgendwo dort, und in zweiter Linie ein fiktives Erinnern an die Menschen, die dort erst Hütte, dann Haus, dann Hof, dann Villa bauten und darin lebten. Die Geschichte wird dabei chronologisch erzählt, von der Zeit der Besiedlung des amerikanischen Kontinents durch die weißen Eroberer bis weit in die Zukunft. Genau wie die Zeiten wechseln auch die Erzählstile und -perspektiven, immer wieder im Vordergrund steht aber die Landschaft (und insbesondere ein ganz besonderer Apfelbaum) und die Tierwelt, die erforscht, gemalt, eingezäunt, gepflegt, vernachlässigt und wiederentdeckt wird. Die Zeit bewegt sich hier in großen Spiralen, und über mindestens vier Jahrhunderte werden wir Leserinnen und Lesern zu Zeugen.
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Spätestens seit Florian Illies' "1913: Der Sommer des Jahrhunderts" sind wir literarisch vertraut mit der Form der Geschichtsreportage, die
episodenhaft-chronologisch die Leben vieler Menschen streift. Dahinter steht eine gewaltige Rechercheleistung. Wittstock schreibt im Vorwort: "Für alles,
was hier erzählt wird, gibt es Belege, nichts wurde erfunden." Diese faktischen Sicherheiten braucht es auch, um das, was man da liest, als Geschehenes
zu akzeptieren. Acht bis zehn Millionen Menschen waren nach der Teileroberung Frankreichs durch die Wehrmacht im Frühsommer 1940 auf der Flucht. Man
verlor sich aus den Augen und traf sich manchmal entgegen aller Wahrscheinlichkeiten wieder: in den überfüllten Städten Südfrankreichs
auf der Jagd nach einem Visum, im Gefangenenlager oder auf der Flucht über die Pyrenäen. In diesem Menschenstrom fanden sich auch Autorinnen und
Autoren wieder, die im Dritten Reich keine Gnade zu erwarten hatten. Der Grad der Prominenz spielte beim Fluchtunterfangen nur eine untergeordnete Rolle - rar waren
nämlich vor allem Fluchthelfer.
In diesem Zusammenhang macht Uwe Wittstock die Rolle des amerikanischen Journalisten Varian Fry bekannt. Bis heute hat dieser für seine
Fluchthelfertätigkeit im Vichy-Frankreich kaum öffentliche Anerkennung erhalten. Der folgende Satz gilt ja eigentlich immer, aber hier trifft er
vollumfänglich zu: Nach dem Lesen weiß man mehr!
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Dieser Roman ist wie ein Achselzucken in Schriftform - im besten Sinne. Die Themen, die hier verhandelt werden - große Dinge wie Aufwachsen ohne Vater, Entfremdung von der Familie, Zweifel an der eigenen sexuellen Orientierung - hätten allesamt das Zeug dazu, einen gefühlsüberladenen 700-Seiten-Roman zu füllen. Stattdessen lebt "Der Sohn des Friseurs" von Andeutungen und Leerstellen, die es selbst auszudeuten gilt. Oder eben auch nicht, denn genau das zwingt Gerbrand Bakker seiner Leserschaft nicht auf. Eine erholsame Leseerfahrung.
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Iris Wolffs Roman gelingt es, das Allgemeine im ganz Besonderen zu sehen. Auch wer nicht mit dem rumänischen Siebenbürgen der Vorwendezeit vertraut ist, wird in der Dualität von Fremdheit und Vertrautheit, erster Liebe und Enttäuschung, Familienzwist und -zusammenhalt sich selbst und auch andere sehen können. Später weitet sich der literarische Blick, weg aus der kleinen dörflichen Welt, hin zum grenzenlos scheinenden Europa. Auch das: eine ganz allgemeine, und doch für jede und jeden anders besetzte Erfahrung. Nicht umsonst schrieb Stefan Kister in der Stuttgarter Zeitung über Wolffs letzten Roman "Die Unschärfe der Welt", dass sie "mit nichts als Sprache in ein Reich [führt], das jenseits der Sprache liegt."